Helfen grüne Wände wirklich gegen Hitzesommer?

Helfen grüne Wände gegen Hitzesommer?

Städte wie Leipzig sind aufgrund ihrer baulichen Struktur von der Klimaerwärmung besonders betroffen. Viel Beton, wenig Grün – bei weiter steigenden Temperaturen werden Städte so zu Schmelztiegeln. Grüne Fassaden sind eine wirkungsvolle Möglichkeit, um für Abkühlung zu sorgen.

Puhh, ganz schön heiß hier! Kein Wunder ist es doch in Leipzig durchschnittlich sechs Grad wärmer als in ländlichen Regionen im Umland. Die Gründe dafür sind schnell gefunden: durch Versiegelung und Verdichtung staut sich die Hitze in der Stadt. Das für die Bebauung und städtische Infrastruktur verwendete Material besteht zumeist aus Beton, Stein und Asphalt - Materialien die Wärme infolge direkter Sonneneinstrahlung aufnehmen, speichern und dadurch permanent, auch nachts, abgeben. Durch die dichte Bebauung steht die warme Luft in den Straßen - kühlende Luftzüge werden verhindert. An heißen Tagen kühlt sich die Stadtluft deshalb selbst in den Abend- und Nachtstunden kaum ab. Tropennächte, in denen die Temperatur nicht unter 20°C fällt, werden jedes Jahr häufiger.

Der Klimawandel hat auch Folgen für Leipzig

Beton und Glas dominieren das Stadtbild
Beton und Glas dominieren bei Neubauten in Leipzig. Sie heizen die Stadt weiter an.

Seit 1963 ist es im jährlichen Durchschnitt in Leipzig bereits 1,6 °C wärmer geworden und diese Entwicklung wird sich fortsetzen. Im Zuge des Klimawandels werden die Temperaturen weiter steigen und Hitzewellen zunehmen - auch in Leipzig. So prognostiziert das KlimafolgenOnline-Portal für Leipzig eine jahresdurchschnittliche Temperaturerhöhung von 2,3 °C für den Zeitraum 2021-2060, sowie eine Verdreifachung der Anzahl an Hitzetagen (nachzulesen in "Klimawandel - Anpassungsstrategien" der Stadt Leipzig). Es mutet exotisch an, könnte aber Realität werden: Forscher:innen haben auf der Grundlage von Daten des Weltklimarates IPCC gezeigt, dass es 2080 in Leipzig bei einer Erderwärmung von 4,2°C so heiß wie in Nairobi werden könnte.

Die Folgen sich wandelnder klimatischer Verhältnisse werden in Städten viel deutlicher zu spüren sein, weil Grün fehlt und die Versiegelung zunimmt. Beides begünstigt die Entstehung lokaler Hitzeinseln. Das städtische Klima wird unerträglich, denn Hitze schadet der Gesundheit, kann Herz-Kreislauf-Probleme verursachen und für gefährdete Bevölkerungsgruppen tödliche Folgen haben.

Um das Stadtklima zu regulieren und zu kühlen, muss die Stadt neu gedacht werden, müssen klimaangepasste Lösungen her. Dabei spielt Grün an Gebäuden eine zentrale Rolle: begrünte Fassaden und Dächer sind eine wirksame Möglichkeit, um das städtische Mikroklima spürbar zu verbessern und für die dringend nötige Abkühlung zu sorgen.

Statt heißem Beton - mit Kletterpflanzen kühlende Oasen schaffen!

Begrünte Fassaden sind "urbane Klimaanlagen", denn wie eine Klimaanlage kühlen die Pflanzen mit ihrem Blattwerk ihre Umgebung und das Gebäude selbst. Sie können aktiv zur Bekämpfung von Hitzeinseln eingesetzt werden. Das besondere Plus: Kletterpflanzen können platzsparend an bestehenden Oberflächen wachsen und so flexibel auch in besonders betroffenen Stadtgebieten und Straßenzügen für wohltuende Abkühlung sorgen.

Grafische Darstellung des Einflusses von Sonneneinstrahlung auf grüne Wände
Grau vs. Grün - Die Darstellung zeigt die Kühlleistung von grünen Wänden (© Nicole Pfoser)

Und so geht's: Die Blätter der Pflanzen wandeln im Zuge der Photosynthese nicht nur das klimaschädliche Kohlenstoffdioxid in lebenswichtigen Sauerstoff um, sie verbrauchen dabei durch direkte Verdunstungsprozesse Energie, die sie der Umgebung in Form von Wärme entziehen (Evaporation = Verdunstung). Aber das ist noch nicht alles: über ihr Blattwerk "verschwitzen" sie das in ihnen gespeicherte Wasser (Transpiration = Verschwitzen) und erhöhen so die Luftfeuchtigkeit in ihrem Umfeld. Bei diesem Vorgang kühlt die Pflanze sich selbst aber eben gleichzeitig auch ihre Umgebung. Darüber hinaus sorgt die begrünte Fassade mit dem Verschattungseffekt für eine Abkühlung des Gebäudes. Die nackten Betonwände, wahlweise auch Fenster, werden durch das dichte Blattwerk vor direkter Sonneneinstrahlung geschützt. Die Kletterpflanzen wirken wie ein natürliches Schutzschild. So erhitzen sich Außenwände weniger und strahlen zugleich weniger Wärme an die Umgebung ab. Klar, dass die grüne Hülle auch die Innenräume vor der Hitze schützen.

Die Kühlleistung von grünen Wänden in Zahlen

Eine Fassadenbegrünung in der Größe erbringt eine beachtliche Kühlleistung
Giebelwände eignen sich besonders gut für großflächige Begrünungen und somit als natürliche Klimaanlagen

Die dabei erbrachte Kühlleistung lässt sich in Zahlen darstellen: bei einer 850 Quadratmeter großen begrünten Fassade, das entspricht ungefähr der Fläche eines Handballfeldes, wird die erbrachte Kühlleistung mit 49 Klimageräten mit jeweils 3000 Watt und acht Stunden Betriebsdauer gleichgesetzt (zum Vergleich: mobile Geräte in der Größenordnung kühlen rund 130 Quadratmeter Wohnfläche). Erwähnt werden muss, dass an dieser untersuchten Fassade in Wien, rund 17.000 Pflanzen in Pflanzgefässen direkt an der Fassaden wachsen (wandgebundene Begrünung) und dass die Begrünung über ein Bewässerungssystem versorgt wird. Aber auch schon kleinere vertikale Begrünungen von vier Quadratmetern sind wirkungsvoll, wie Forscher:innen in Wien unlängst nachgewiesen haben. Ein weiteres Beispiel zur Kühlleistung von grünen Fassaden ist in Berlin zu finden. Das Institut für Physik in Berlin-Adlershof hat die praktische Forschung direkt vor der Nase: das Institutsgebäude ist von vertikalem Grün eingerahmt. Dort wurde gezeigt, dass die Pflanzen in Folge des Verdunstungsvorgangs pro Tag eine durchschnittliche Kühlleistung von 157 kWh erbringen. Verschiedene Studien belegen eine Verdunstungsleistung von 2 bis 15 l /qm pro Tag für Fassadenbegrünung. Der Kühlungseffekt hat vor allem an heißen Tagen spürbare Folgen. Nachgewiesen werden konnte eine Reduzierung der Umgebungstemperatur von 1,37°C. Bezogen auf die gefühlte Temperatur wurde in Simulationen in begrünten Straßenzügen sogar eine Temperatursenkung um bis zu 13°C aufgezeigt. Eigentümer:innen von großflächig begrünten Gebäuden haben uns Ökolöwen diesen Effekt in Gesprächen bestätigt.

Die Beispiele zeigen: Grüne Wände tragen zu einem verbesserten Mikroklima bei und sind daher ein wichtiger Baustein auf dem Weg zur klimaangepassten, lebenswerten Stadt. Jedoch ist das Ausmaß abhängig von der Beschaffenheit des Wandgrüns (wandgebunden/ bodengebundene; viel Biomasse/ wenig Biomasse; großflächig/ kleinteilig) und von der Wasserverfügbarkeit. Eine Integration von Niederschlagswasser zur Bewässerung der Fassadenbegrünung beispielsweise über Zisternen, erhöht selbstverständlich die Verdunstungsleistung und damit den Kühlungseffekt.

Vergleichsmessungen an der Wand
Wir haben den Test gemacht und die Temperatur einmal auf der nackten Oberfläche und einmal hinter dem grünen Vorhang gemessen. Das Ergebnis ist beeindruckend.

Aber nicht nur mit der Verdunstungsleistung kühlen grüne Wände ihre Umgebung sondern auch durch den Verschattungseffekt. Der grüne Vorhang schützt Beton- und Steinfassaden vor der Sonneneinstrahlung und führt dazu, dass die Oberflächentemperatur an sonnigen Tagen hinter der Pflanzenschicht um bis zu 20°C niedriger ist. Die Wände bleiben kühl, der Speicherofen-Effekt, verursacht durch die Wärmeabstrahlung der wärmespeichernden Materialien, wird vermieden. Und das hat auch Folgen für die Wohnräume: die Innenlufttemperatur sinkt dank der Begrünung um bis zu 3°C. So wird auf natürliche Weise ein angenehmes Raumklima geschaffen, ganz ohne zusätzliche Energiekosten. Besser geht es eigentlich nicht, denn gleichzeitig schaffen grüne Wände mehr Biodiversität in der Stadt, steigern die Aufenthaltsqualität und sorgen für gute Luft.

Quellennachweis, wenn nicht anders angegeben: Fachinformation des Bundesverband GebäudeGrün e.V. (BuGG) "Positive Wirkungen von Gebäudebegrünungen" (Stand: 01/2023).

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Wir setzen uns auch auf politischer Ebene für mehr Grün an Leipziger Fassaden ein. Hier kannst Du unsere Forderungen nachlesen und unseren Appell "Mehr Grün für Leipzig" zeichnen.

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